Geboren 1954 in Reutlingen
1974 Abitur in Herrenberg
1974-1975 LKW-Fahrer
1975-1976 Studium der Elektrotechnik
1976-1982 Studium der Germanistik, Rhetorik, Kunstgeschichte
Hier besonders Studium historischer Quellen zur Maltechnik und Umsetzung in die eigenen Arbeiten
Seit 1976 kontinuierlich künstlerisches Arbeiten. Seit 1983 freischaffend
Mitglied im Verband Bildender Künstler Württemberg
Mitglied im Künstlersonderbund in Deutschland 1990 e.V.
Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland
Öffentliche Ankäufe:
Regierungspräsidien Tübingen und Stuttgart, Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg,
Museum der Stadt Engen, Sammlungen der Städte Balingen, Böblingen, Herrenberg, Leonberg und Reutlingen
Zu den Arbeiten
Ohne die Kunst würde die Rohheit der Wirklichkeit die Welt unerträglich machen.
George Bernard Shaw
Zuneigung zu einer Straßenbahn? Mitleid mit einem Haus? Augenzwinkerndes Verständnis für die Zuneigung
zweier Bücher zueinander? Joachim Lehrer bringt es fertig, dass man derlei Emotionen bei der Betrachtung
seiner Bilder entwickeln kann.
Wenn dem Betrachter zudem zu vielen Bildern Joachim Lehrers eine Geschichte, ein Märchen einfällt,
dann spricht alles dafür, dass seine Arbeiten nicht unbedingt realistisch zu nennen sind, auch wenn sie
zunächst den Anschein erwecken. Wenn jene alte Straßenbahn solche Gefühle weckt, dann muss etwas dahinter stecken.
Schnell wird klar, dass Lokomotiven, Straßenbahnen, Lastwagen, Limousinen, ja sogar Konzertflügel und Windrad
für etwas ganz anderes stehen: für ihre ehemaligen Besitzer zum Beispiel, für ihre Erschaffer, jedenfalls für
Menschen. Der Übersprung fällt leicht, denn Joachim Lehrer ist ein Fabulierer, er erzählt Bildergeschichten,
wie die von dem Luftschloss, das auf Himmelfahrt gehen wollte. Leise sind diese hintergründigen Bilder in ihrer
Aussage, oft ein wenig melancholisch, nie mit Drohgebärden anklagend, häufig auch von einem feinsinnigen Humor.
Joachim Lehrer klagt nicht an, er zeigt Schicksale. Auf einer kleinen Felseninsel inmitten eines bewegten Meeres:
eine Straßenbahn Linie 3. Nach Altenburg hätte sie fahren sollen, jetzt steht sie auf einer verbogenen Schiene,
auf verlorenem Posten, neben ihr hat gerade noch ein zerzauster Baum Platz auf der Insel.
Im Hintergrund Strommasten ohne Leitungen. Welch aussichtsloses Schicksal, hier für immer zu stranden!
Sturm- und Gewitterstimmungen sind häufig in Lehrers Bildern, karge Wüstenlandschaften wechseln ab mit bewegten
Meeresszenen, Geröllfelder mit Szenen, die oberhalb unserer Welt, über den Wolken oder aber im Schnee spielen,
und immer ist diese Endzeit-Natur beseelt von Technik: eben dieser Straßenbahn, einem Haus mit Windrad,
einem Lastwagen, einer Lokomotive, einem alten Konzertflügel. Menschen gibt es in den Bildern Joachim Lehrers
nicht, auch keine Tiere, wenn man von den Notenblättern absieht, die zu Seevögeln zu mutieren scheinen.
Die Rolle des Menschen wird von Darstellern übernommen: von ihren Werken. Eine Welt,
aus der sich Joachim Lehrer das Leben weitgehend weggeträumt hat, denn das Gras ist gelb, die Bäume entlaubt,
nur hie und da findet sich grünes Laub: im verlassenen Gewächshaus und beim geschundenen Leuchtturm.
Die Anteilnahme an den Objekten zieht den Betrachter in die Bilder hinein, immer weiter, fordert den,
der sich auf diese Bilder einlässt über das Betrachten hinaus zum Nachdenken, zur Auseinandersetzung auf.
Zur Technik
Joachim Lehrers Bilder sind in der Komposition außerordentlich durchdacht, in der zeichnerischen Qualität
fast beängstigend und in der Farbsetzung frappierend. Trotz der ungewöhnlichen Sujets wirken die Bilder
außergewöhnlich ästhetisch. Im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen fertigt Lehrer eine detaillierte
Vorzeichnung an.
Das Ergebnis überträgt er auf eine Holzplatte, die mehrmals mit Kreide grundiert und geschliffen wurde,
um die völlige Glätte des Malgrundes zu erreichen. Ein Grund“ton“ (Imprimitur) wird auf diesen Grund
aufgebracht und legt mit seiner Stimmung die spätere Farbstimmung des Bildes fest. Erst jetzt wird die
Vorzeichnung übertragen und hell-dunkel mit Acrylfarben modelliert. Viele weitere Schichten in
Harz-Leinöl-Lasuren lassen die Farben je nach Belieben durchscheinend oder pastös wirken.
Lydia Jantzen-Philipp
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